Mit ihrem Programm „Das Leben ist nicht schwarz-weiß“ sorgten Judy Bailey und Patrick Depuhl für einen besonderen Höhepunkt beim diesjährigen Tag des Religionsunterrichts. Das Künstler-Ehepaar präsentierte ein 90-minütiges „Special“ ihres Programms, mit dem sie derzeit touren. Judy Bailey brachte mit ihren Liedern Rhythmus und die Lebensfreude ihrer Heimat Barbados zum Klingen, Patrick Depuhl präsentierte Texte über Heimat und Identität.
Ihre Lebensgeschichten und die ihrer Familien bieten genug Stoff für so ein Programm. Sie spielten dabei bewusst mit ihren vermeintlichen Hautfarben Schwarz und Weiß. Die Kernbotschaft: Es gibt weder „schwarze“ noch „weiße“ Menschen, vielmehr eine große Vielfalt von Schattierungen: „Wenn wir wirklich schwarz und weiß wären, dann wären unsere drei Kinder grau – das sind sie nicht.“
Familiengeschichte ist Basis des Programms
Die Geschichte von Baileys Familie ist untrennbar mit Kolonialismus verbunden, ihre Vorfahren waren Sklaven. Die Geschichte der Familie Depuhl birgt eine dunkle, lange unbekannte Seite. Patricks Vater Michael war der uneheliche Sohn eines SS-Offiziers, geboren in einem sogenannten Lebensbornheim der Nationalsozialisten und später von einer Tante adoptiert. Das Nazi-Projekt von SS-Reichsführer Heinrich Himmler sollte zur Geburt und Erziehung einer rein deutschen, „arischen“ Elite führen. Doch wie im Fall von Michael verursachte es großes Leid, über das dieser bis zu seinem Tod schwieg. „Ironie des Schicksals: Dass wir beide, Judy und ich, geheiratet und sogar Kinder bekommen haben, wäre für Himmler die Hölle gewesen.“
Rassismus im Alltag
Dass Rassismus für viele unsichtbar, für andere jedoch Alltag ist, machte Judy Bailey deutlich. Etwa wenn sie bezahlt, ihr Mann jedoch das Wechselgeld bekommt. Sie berichtete von einer Zugfahrt ihres Sohnes, der als einziger Fahrgast von einem Schaffner und einem Polizisten kontrolliert wurde, allein wegen seiner dunkleren Hautfarbe. „Dabei ist er deutscher Staatsbürger und hat Null-Komma-Irgendwas Abitur gemacht.“
Bei all dem kamen Musik und Rhythmus nicht zu kurz. Beim Lied „Celebrate“ riefen die Künstler Lehrerinnen und Lehrer nach vorne, die sie mit Rhythmusinstrumenten begleiteten. Und alle anderen machten mit ihren Armen bei Body-Percussion mit. „Wir alle brauchen einander“ so die eindeutige Botschaft. Und die Liebe sollte das letzte Wort haben.
Nach der Konzertlesung war Zeit für Rückfragen und Anmerkungen. Beim anschließenden Gespräch mit den Teilnehmenden brachten viele ihre Sorge und Betroffenheit zum Ausdruck, doch auch ihre Begeisterung über Texte und Musik. „Hier ging es nicht um einen erhobenen Zeigefinger, sondern Empathie wurde geweckt“, äußerte eine Teilnehmerin. Wie überzeugend Judy Bailey und Patrick Depuhl solch kontroverse und schmerzliche Themen ansprachen, zeigte schließlich die Frage, wie man die beiden an die eigene Schule einladen kann.
„Ich bin oft im Alltag immer noch ratlos“, bekannte eine Lehrerin. „Aber da habt Ihr mir tolle Denkanstöße gegeben.“ Es gebe keine einfachen Antworten, so Patrick Depuhl. Offenheit sei wichtig und die Bereitschaft, Lernende zu bleiben. Das war auch die Idee hinter diesem besonderen Programm. „In diesen Zeiten brauchen wir einen Impuls, der uns Mut macht und Hoffnung gibt“, erklärte Schulreferentin Beate Sträter eingangs. „Einen Zugang, der uns guttut und uns berührt.“
Workshops am Nachmittag
Am Nachmittag vertieften die gut 80 Lehrerinnen und Lehrer das Thema in Workshops für alle Schulformen. Unter anderem stellte Andrea Karimé ihre „Alle Kinder Bibel“ vor. Chrissi Sauer und Michael Schäfer boten einen theaterpädagogischen Workshop an, in dem man sich erfahrungsorientiert mit dem Thema Identität und Beheimatung befassen konnte. Zum gleichen Thema arbeiteten Beate Sträter und Thomas vom Scheidt mit Unterrichtenden von Oberstufe und Berufskollegs.
Der Tag des Religionsunterrichts findet alljährlich und nun schon zum 27. Mal am Buß- und Bettag unter der Regie der Schulreferentinnen Beate Sträter und Hiltrud Stärk-Lemaire zu einem Schwerpunktthema statt. Der ganztägige Termin mit vielen Angeboten der Mediothek ist Treffpunkt der evangelischen Religionslehrkräfte an den allgemeinbildenden Schulen in den Kirchenkreisen An Sieg und Rhein, Bad Godesberg-Voreifel und Bonn.
Text: Dr. Uta Garbisch